10 Jahre Medienscout

Nach dem Amoklauf in Winnenden am 11.März 2009 wurde eine kontroverse Diskussion über Killerspiele und die Rolle der Medien geführt. Im April 2009 hielt Dr. Bojan Godina in der Alten Kelter in Winnenden auf die Initiative einiger Winnender Bürger eine Vortragsreihe zu medialen Beeinflussung. Kriminalhauptkommissar Leo Keidel von der Polizeidirektion Waiblingen lud Bojan Godina ein, diesen Ansatz der medialen "peer education" in Winnenden in gemeinsamer Kooperation umzusetzen. Der Filmemacher Harald Grüble schloss sich diesem Vorhaben an. So wurde das Know How der drei unterschiedlichen Fachleute im Medienscout-Projekt vereint.

So begründeten ein Medienpädagoge, ein Filmemacher und ein Kriminalbeamter aus Winnenden vor 10 Jahren das Konzept für den heutigen Medienscout. Von Anbeginn an war das mehrfach preisgekrönte Medienscout-Konzept interdisziplinär aufgebaut. Unterschiedliche Fachleute (Pädagogen, Psychologen, Suchtexperten, Medienmacher, Präventionsexperten, Juristen u.a.) sollten den Medienscouts helfen in kurzer Zeit Medienkompetenz zu vermitteln. Zweitens sollen die Schüler die Möglichkeit bekommen, durch eine medientechnische Förderung, eigene kreative Medieninhalte herzustellen. Drittens fühlen sich die Gründer einer werteorientierten Medienpädagogik verpflichtet, die sich konsequent an den Menschenrechten orientiert. Das Wohl der Kinder in allen Aspekten (körperlich, geistig, seelisch und sozial) steht somit bei der Arbeit des Medienscout e.V. im Mittelpunkt. Medien sind in unserer Zeit nicht mehr wegzudenken und dennoch sollten sie unser Leben nicht beherrschen. Deshalb besteht das Ziel der Medienscout-Ausbildung darin, Heranwachsende in ihrer Medienfaszination zu begleiten und dabei ein tieferes systemisches Verständnis hinsichtlich mancher Problemfelder und Gefahren der Medienwelten und des Medienkonsums zu vermitteln.

Die UN-Kinderrechtskonvention weist in mehreren Paragrafen ausdrücklich darauf hin, dass das Wohl des Kindes ganzheitlich und zwar in seinen körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Aspekten geschützt werden muss (Art. 27,1; 29,1a; 32,1, UN-Kinderrechtskonvention, 1989). In den letzten 10 Jahren hat sich die Medienlandschaft nochmals ziemlich verändert. Tablets finden Eingang in viele Schulen, Smartphones mit ihren Apps erobern die Herzen der Kinder und Jugendlichen. Auf der anderen Seite erreichen uns allarmierende Meldungen aus den Vorreiterländer Südkorea und China über die damit verbundenen Süchte und gesundheitlichen Probleme. Computerspielesucht wird von der WHO 2018 als eigenständige Erkrankung anerkannt, da sie inzwischen zur am schnellsten wachsenden Sucht gezählt wird. Zahleiche allarmierende Forschungen häufen sich. Multitasking zerstört die grauen Zellen im cingulären Cortex, der für Entscheidungsfindung und Impulskontrolle zuständig ist, oder noch allarmierender die Erkenntnisse der Ulmer Molekularpsychologen, die vor einem Jahr experimentell aufzeigen konnte, dass innerhalb von 6 Wochen, sich bei Computerspielern und zwar schon bei einer Stunde pro Tag, der orbitofrontale Cortex der für ethische Empfindungen, Antrieb, Schamlosigkeit zuständig ist, in seiner grauen Substanz signifikant abnimmt. Seitens der Spieleindustrie wurden milliardenschwäre Spiele wie GTA 5 entwickelt, in denen man um weiterzukommen Kriminelle mit unterschiedlichen Folterwerkzeugen zum Sprechen zwingen muss.

Seit 2015 hat auch die Deutsche Gesellschaft für Psychologie ein offizielles Statement zur Mediengewalt veröffentlicht, welches mit unterschiedlichen Metastudien in jedem Fall eine geringe bis mittlere negative Wirkung der medialen Gewalt auf das Verhalten bestätigt. In den letzten drei Jahren sind aber auch viele Insider aus der Medienindustrie (Google, Facebook, u. Co.) ausgestiegen und Plattformen wie Humantech gegründet, um die Eltern und Erzieher aufzuklären, welche Methoden in sozialen Medien aus der Spieleindustrie eingebaut haben, um, die Kinder und Jugendlichen süchtig zu machen.

Unser Medienscout hat sich schon vor 10 Jahren all diesen medialen Themenschwerpunkten gewidmet und versucht werteorientierte Aufklärung und Hilfestellung zu liefern. Es ging uns nie um Schwarz-Weiß-Malerei, sondern um Aufklärung und alternative werteorientierte Nutzung der Medien. Unsere Medienscouts haben neben der schulischen Peer-Education auch selbst werteorientierte Medienbeiträge geliefert. Der Verkehrspräventionsfilm „Strafzettel“ wird seit Jahren in der Straßenprävention verwendet. Darüber hinaus haben unsere Mitarbeiter aktiv an der Entwicklung eines neuen medialen Schulfachs als Pilotprojekt an dem Marbacher Schillergymnasium in Kooperation des Esslinger Lehrerseminars mitgewirkt und publiziert.

Durch unsere praktische Arbeit an Schulen, wissenschaftlichen interdisziplinären Forschung und unserem Wertekonzept sind wir zukunftsorientiert für neue Herausforderungen wie z. B. der Künstlichen Intelligenz oder Schnittstelle Mensch-Computer, die uns im nächsten Jahrzehnt mit hoher Wahrscheinlichkeit mit neuen Chancen und Problemen begegnen werden.



Quellen:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25250778
http://pediatrics.aappublications.org/content/140/Supplement_2/S62
https://www.uni-ulm.de/in/fakultaet/in-detailseiten/news-detail/article/online-computerspiele-veraendern-das-gehirn-auswirkungen-von-gaming-auf-den-orbitofrontalen-kortex/
https://www.spektrum.de/news/macht-gewalt-in-unterhaltungsmedien-aggressiv/1360548
https://www.srf.ch/kultur/netzwelt/techies-warnen-vor-technik-warum-facebook-wie-eine-spielhoelle-funktioniert